Donnerstag, 13. August 2015

Warum die FDP unverzichtbar ist


Wir kennen die Auswirkungen des fürsorglichen Staates schon lange: Verlust der autonomen Handlungsfähigkeit des Individuums, Verlust an Antrieb, Motivation, Eigenverantwortungsbereitschaft, Verlust an Würde. Wir kennen sie bestens von Menschen, die Sozialleistungen beantragt haben: Das Arbeitslosengeld II etwa, umgangssprachlich meistens „Hartz IV“ genannt – die Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Es soll diesem Personenkreis ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. In der Praxis sehen wir, dass genau dies in der Regel nicht der Fall ist, dass diese Menschen bei längerzeitigem Bezug dieser Sozialleistung vor allem eines verlieren: Ihre Würde.
Verlust an Würde droht immer, wenn der Bürger dem Staat als Sozialstaat oder Ordnungsstaat zu nahe kommt. Wer staatliche „Wohlfahrt“ in Anspruch nehmen möchte, muss sich nackt machen, sein Inneres nach außen kehren, Privatestes offenbaren. Er muss sich endlosen bürokratischen Ritualen unterziehen, gängeln lassen, sagen lassen, was er in Zukunft noch darf und was nicht mehr. Ein weitgehender Verlust an individueller Handlungsfähigkeit und –bereitschaft ist die Folge: Man richtet sich ein in „Hartz IV“, ist nicht länger autonom in seinen Handlungen und Bedürfnissen. Der Staat finanziert das kärgliche Leben – und bestimmt dafür, wo es lang geht. Die Folge ist das, was Martin Seligman die „gelernte Hilflosigkeit“ genannt hat: Den Verlust des Glaubens an die eigene Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung.
Im Moment erleben wir „gelernte Hilflosigkeit“ auf einer neuen Ebene: Der multinationalen. Griechenland als ehemals autonomer Staat hat sich dem Diktat der „Troika“ unterworfen, dem Kontrollgremium der Europäischen Union, das aus Vertretern der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfond und der EU-Kommission besteht. In ähnlicher Weise wie der langzeitige Grundsicherungsleistungsbezieher ist das Land längst seiner autonomen Handlungsfähigkeit beraubt. Griechenland ist von den Finanzinfusionen aus Brüssel abhängig. Es ist nicht länger zu eigenverantwortlichem Handeln in der Lage. Wenn es so etwas gibt wie nationale Würde – Griechenland hat es unter seiner sozialistischen Regierung und dem Brüsseler Diktat längst verloren.
Der Verlust an autonomer Handlungsfähigkeit, Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Würde ist ein Krebsgeschwür unserer Zeit. Wir erleben den freiheitsberaubenden Geist der Fürsorglichkeit nicht mehr nur gegenüber einzelnen Bürgern, sondern gegenüber ganzen Staaten. Unsere Politik vertraut der autonomen Freiheit und Selbstverantwortung nicht mehr. Eigenständigkeit und kreative Lösungskompetenz geht dadurch verloren. Wir erleben eine zunehmende Abhängigkeit aller von allem und dadurch eine Diffusion von Verantwortungsstrukturen. Unsere Politik ist zu einer Politik der Verantwortungslosigkeit und Unfreiheit geworden.
Die deutsche Bundesregierung, die „große“ Koalition aus CDU, SPD und CSU, zelebriert den Paternalismus. Das Zauberwort staatlicher Verhaltenssteuerung heißt „Nudging“. Der Begriff wurde vom Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und vom Rechtswissenschaftler Cass Sunstein in ihrem 2008 erschienenen Buch „Nudge. Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness“ geprägt. Thaler und Sunstein plädieren für Paternalismus: Ausgehend von der empirischen Erkenntnis, dass menschliche Entscheidungen nur begrenzt rational sind und unweigerlich durch eine „Entscheidungsarchitektur“ beeinflusst werden, sollten die staatlichen Organe, die menschliches Verhalten beeinflussen können, dies so tun, dass das Gemeinwohl vergrößert werde. Diese paternalistische Beeinflussung von Menschen, so die Autoren, sei durchaus „libertär“, da dem Bürger jederzeit die Möglichkeit offen steht, sich gegen den Weg zu entscheiden, auf den er “gestupst” wird. Die Merkel-Regierung hat sich längst zum „Libertären Paternalismus“ bekannt und Sozialingenieure ins Kanzleramt berufen, die die neue Verhaltenssteuerung in Angriff nehmen sollen. Wer meint, der Behaviorismus sei überwunden, irrt. In Berlin, aber nicht nur dort, treibt er neue Blüten.
Neben „Nudging“, das unser Verhalten steuern soll, sagt uns „Political Correctness“, wie wir zu fühlen und zu denken haben. „Die Gedanken sind frei“ gilt längst nicht mehr. Politisch Korrektes „Neusprech“ hat längst Auswirkungen auf unsere Gedanken- und Gefühlswelt. Sozialingenieure des Staates und staatsnaher Leitmedien versuchen – mit beachtlichem Erfolg – Schritt für Schritt unsere Sprache zu verändern – und damit uns selbst.
Die gelernte Hilflosigkeit ist zu einem prägenden Agens der Zeitkultur geworden. Wir handeln deutlich unter unseren Möglichkeiten. Wir sind antriebsschwach geworden. Apathie und Behäbigkeit greifen um sich. Sie gehen einher mit einer zunehmenden Bedrücktheit und Larmoyanz. Wir sind kaum noch Gestalter unserer Welt. Wir sind zunehmend fremdbestimmte Leidende in unserer Welt, kraft- und mutlos.
Wir dürfen unsere Selbstbestimmung, unsere Autonomie und Würde nicht kampflos aufgeben. Der paternalistische Wohlfahrts- und Betreuungsstaat unterminiert schleichend unser menschliches Potenzial. Es bedarf dringend einer politischen Kraft, die dies auf ihre Agenda setzt und mit Nachdruck vertritt. Diese freiheitliche Kraft, die den Menschen, aber auch die nationalstaatliche Souveränität, wieder in den Mittelpunkt der Politik rückt, die auf individuelle Fähigkeiten, auf die Vielfalt menschlicher Gestaltungs- und Problemlösungskompetenzen vertraut, die mit einer Kultur des Mutes und des Optimismus der zunehmenden Bedrücktheit und Apathie entgegenwirkt, kann und wird nur die FDP sein.

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