(Mai 2015)
Angela Merkel ist die beliebteste Besetzung des Kanzleramts der Bundesrepublik Deutschland. Nie zuvor war ein Kanzler über so lange Zeiträume so beliebt wie sie. Seit endlosen Zeiten führt sie das Beliebtheitsranking des ZDF-Politbarometers an. Keinem Kanzler zuvor war das gelungen. Gleichzeitig gab es noch nie einen Kanzler, den man im Hinblick auf seine politische Agenda so schlecht einschätzen konnte wie Angela Merkel. Man weiß nicht recht, wo sie hin will und wofür sie steht. In dieser Hinsicht hat sie viel mit William Jefferson Clinton gemeinsam, dem „Master of political flip-flopping“, der seine politischen Ziele nach Meinungsumfragen ausrichtete und abschätzig „Slick Willie“ genannt wurde. Dennoch war Bill Clinton – wie Angela Merkel – äußerst beliebt.
Sexuelle Eskapaden
eines Bill Clinton erleben wir bei Angela Merkel allerdings nicht.
Diskussionen über Spermaflecken auf der Hose haben wir bei Angie nun
wirklich nicht zu befürchten, stattdessen beschäftigt ihre
stereotype Handhaltung – die Raute. Wie unschuldig und harmlos, wie
vollständig unprivat im Verhältnis zum schlimmen Bill. Angela, die
Pfarrerstochter, ist vollkommen öffentlich. Wenn sie ihren Ehemann
überhaupt mal vorzeigt, ist er unscheinbar blass, nichtssagend
unpretentiös.
Warum ist Angela
Merkel so beliebt? Wofür liebt man sie eigentlich? Ihre politischen
Erfolge sind mehr als bescheiden, wenn man sie mit denen der großen
Bundeskanzler vergleicht. Und selbst gemessen an Ludwig Erhard, dem
vielleicht glücklosesten der Nachkriegskanzler, ist die Bilanz
äußerst dürftig. Selbst Merkels größte Stunde, als sie am 8.
Oktober 2008 inmitten der Finanzkrise gemeinsam mit Finanzminister
Steinbrück eine Garantieerklärung für die Spareinlagen der
Deutschen abgab, war, wie wir heute wissen, diese Erklärung nichts
als ein gewagter Bluff. Immerhin, der Bluff wirkte – und hat das
Land vor Schlimmerem bewahrt.
Über herausragende
persönliche Qualitäten scheint Merkel auch nicht zu verfügen. Man
denke nur an die gewissenlose Art, in der sie, sehr zum Schaden des
Landes – und zum noch größeren Schaden ihrer eigenen Partei –
neben etlichen anderen Friedrich Merz und Jürgen Rüttgers
hinweggeräumt hat. Die „schwarze Witwe“ ist ein jüngst
erschienener Buchtitel, überaus treffend, wie ich finde. Und über
Guido Westerwelle und Philipp Rösler, ihre beiden Vizekanzler der
schwarzgelben Koalition, redet heute kaum noch jemand. Dass sie in
der Versenkung verschwanden, war nicht zuletzt Merkels „Verdienst“.
Dass man ihre
dürftigen Erfolge so wenig wahr- und ihr so wenig übelnimmt, hat
sicher damit zu tun, dass man ohnehin nicht weiß, wofür sie stand
und wo sie mit Deutschland hinwollte. Wer keine politischen Ziele
propagiert, kann auch keine Ziele verfehlen. Wer keine Ziele
verfehlt, scheint erfolgreich, auch wenn er wenig bis gar nichts
erreicht. Angela Merkel, die nebulöse Teflonkanzlerin, ist die
Antipode zu Franz-Josef Strauß, diesem knorrigen, eigenständigen
Typen voller Charakter, den man lieben und hassen konnte, an dem man
sich als Liberaler so heftig und leidenschaftlich reiben konnte. Was
für ein großartiger Kanzler hätte er werden können – und
großartig vor allem deshalb, weil so grundverschieden von Angela
Merkel.
Die einzige
Erklärung, die für Merkels Beliebtheit bleibt, ist ihre
psychotherapeutische Wirkung. „Mutti Merkel“ spendet uns
Deutschen Sicherheit und Geborgenheit, betäubt die allgegenwärtigen
Verlustängste, lullt uns ein, singt uns Schlafliedchen. Wie eine
Schlaftablette am Abend beseitigt sie die Sorgen und alles um uns
herum ist wohltuend friedlich und angenehm warm. Angie lieben wir vor
allem als Kuschelkanzlerin, als Super-Nanny, die aus dem
Paternalismus vergangener Tage einen Maternalismus gemacht hat. Wer
will diese Wohlfühlmutti schon abwählen? Am liebsten wäre uns,
wenn wir sie noch als Wohlfühlomi erleben dürften...
Dass in diesem
Wohlfühlnebel unsere Freiheit schwindet, wir infantilisieren,
verkindlichen, unsere Reife, unsere Verantwortungsbereitschaft und
-fähigkeit schwindet, stört da wenig. Dass sich eine trübe Wolke
aus Apathie und ein Spinnennetz aus Mainstreamverfangenheit und
Political Correctness-Gläubigkeit über uns gelegt hat, die unsere
Kräfte lähmen, unsere Entwicklung und Entfaltung hemmen, nehmen wir
kaum noch wahr. Warum den schönen Schein des Wohlfühldusels
zerstören? Angela Merkel bedient unsere tief verwurzelten Instinkte.
Wir fühlen uns wohl bei ihr und sicher. Und dafür lieben wir sie.
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