Donnerstag, 13. August 2015

Vom liberalen Trauma zur Identität der Bewegung

Vom Trauma
Vor einigen Wochen schrieb jemand im internen Teil von „Meine Freiheit“: “Wir haben uns nun genug mit uns selbst beschäftigt. Macht endlich wieder Politik.”
Ich sah das nicht so und schrieb: „Wir haben uns noch nicht genug mit uns selbst beschäftigt. Das parlamentarische Aus ist ein liberales Trauma. Wir haben dieses Trauma noch nicht bewältigt, können noch nicht benennen, was die Ursachen waren, haben die Ängste nicht verarbeitet, dass das Misstrauen und der Bedeutungsverlust andauern.
Wir befinden uns noch im Zustand der Identitätsdiffusion. Wir wissen noch nicht, wer wir sind, was wir wollen und was wir den Wählern anzubieten haben. Wir brauchen darüber aber absolute Klarheit. Wir müssen unsere Fehler aufarbeiten, uns aber auch klarmachen, wo wir schuldlos sind, wo andere uns geschadet haben: die Kanzlerin, der Koalitionspartner, die Medien.
Wir brauchen diese Zeit der Ruhe, des Selbstbewusstwerdens, der Selbstfindung. Wir müssen Vergangenheit bewältigen und Zukunft planen. Schonungslos aufarbeiten und benennen, was misslang, uns auch rückversichern, was erfolgreich war. Es geht nicht um den Relaunch einer Marke, es geht um die Rückgewinnung unserer Identität, die Rückeroberung von liberalem Selbstbewusstsein und eigener Glaubwürdigkeit. Erst wenn wir dies gefunden haben, können wir es wieder erfolgreich nach außen tragen.
Lassen Sie uns die Zeit!“
So schrieb ich damals. Wie steht es heute um unsere Traumaverarbeitung? Um unsere Selbstfindung?
Das Trauma scheint weitgehend verarbeitet. Die Partei unter neuer Führung hat eine neue Parteifarbe, ein neues Logo, ein neues Image, neuen Mut. Bald wird sie sich auch mit neuem Leitbild und programmatisch neu ausrichten.
Allerdings, die Grundangst bleibt: Wird der Wähler die neue Partei annehmen? Wird sie in der verschärften Konkurrenzsituation bestehen können? Und, wer sind wir Liberale, oder, wie wir uns neuerdings betont nennen: Die Freien Demokraten, 2015?
Auf die Frage, so scheint es, steht die endgültige Antwort noch aus.

Von neuer Identität
Nicht nur Frau Mohringer räumt Regale aus und ein; auch ich tue das von Zeit zu Zeit. Vor ein paar Tagen fiel mir dabei alte Wahlwerbung aus den späten Siebzigern in die Hände. Ich war damals gerade in die Partei eingetreten, Genscher war Parteichef und die Partei liberales Korrektiv in der Koalition mit den Sozialdemokraten. „Politik für die Mitte“ war damals das Schlagwort. Im Wahlkampf forderten wir: „Macht die Mitte stark!“
Das parteipolitische Bonn war damals einfach konstruiert: Die Grünen gab es noch nicht. Links standen die Sozialdemokraten, rechts die Christdemokraten. Extremisten auf beiden Rändern waren unbedeutend und nicht im Parlament. Und es gab uns. Rechts von den Sozis und links von der Union. In der Mitte also.
Sind wir heute noch die Mitte? Die gefühlte Mitte vielleicht, aber sicher nicht mehr die Mitte zwischen CDU/CSU und der SPD. Früher, in Merkels Koalition, wurden wir nicht selten als die Rechte im Parlament wahrgenommen, insbesondere von Grünen und der Linkspartei. Schließlich saßen wir auch ganz rechts im Parlament. Rechts von der Union. Heute sehen uns die Rechtspopulisten der AfD als eine gemäßigte Linkspartei, nicht ganz so links wie Grüne und Sozialdemokraten. Wo also steht die FDP 2015? Rechts, links, oder nach wie vor in der Mitte?
Ich würde sagen: Nichts von alledem.
In ihrer frühen Phase haben die Grünen sich mal so selbstbestimmt: „Nicht links, nicht rechts, sondern vorn“. Auf die Grünen hat diese Einordnung nie gepasst, fand ich. Einige wenige Grüne waren rechts am Anfang. Die allermeisten waren links. Und das sind sie eigentlich immer noch.
Vorn, fand ich, waren wir. Die Leistungselite, die Avantgarde. Motor des wissenschaftlichen Fortschritts, Anwälte neuer Technologien, der Bildung, gesellschaftlicher Befreiungsbewegungen. Vorn sind wir eigentlich immer noch. Wir stehen gegen alle Widerstände für ein gemeinsames Europa, für TTIP, für offenen, undogmatischen Umgang mit Gentechnik und Reproduktionstechnologie. Wir sehen die Chancen und die Möglichkeiten. Wir sind nach wie vor die Avantgarde des Fortschritts und des sozialen Wandels.
Aber da ist noch mehr neuerdings. Wenn wir uns die deutsche Parteienlandschaft als Gemälde vorstellen, sind wir nicht nur als Avantgarde in den Vordergrund gemalt, so wie die barbusige Marianne mit der Trikolore die Franzosen in „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugene Delacroix anführt. Es ist eher so, als ob Marianne das Bild verließe, auf uns zustürme, uns bewege und mitreiße.
Die deutschen Parteien erscheinen bildhaft statisch, wie von Delacroix gemalt. In dynamischer Pose, aber eingefroren. Man kann ihre Dynamik ahnen, aber man spürt sie nicht. Das Bild wirkt in seiner Gesamtheit dem Leben nachempfunden – und doch leblos.
Anders die kleine neue FDP. Wie Marianne mit der Fahne stürmt sie uns entgegen und reißt uns mit: Die Animations- und Motivationspartei, die Optimismus und Mut generiert, Kreativität und Gestaltung inspiriert. Menschen für Freisinn begeistert, ihre Entfaltungspotenziale anregt und Gesellschaft zum Leben erweckt.
Ist das unsere neue Identität? Liegt sie nicht vor allem in der Mitte, oder vorn? Sondern in der Bewegung, der Kraft der Begeisterung? Wir setzen auf menschliche Möglichkeiten, auf Optimismus und Mut. Wir setzen als Animations- und Motivationspartei die Kreativgesellschaft in Bewegung!

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