Montag, 5. Oktober 2015

Drei Ansätze zu einer liberalen Naturpolitik




Drei Ansätze zu einer liberalen Naturpolitik


Neben zwei oder drei Kernthemen, die unseren Wahlkampf prägen werden, benötigen wir auch in anderen Politikbereichen eine genuin liberale Handschrift. Die Zeiten müssen vorbei sein, in denen wir uns auf wenige Themen beschränken und alle anderen weitgehend der politischen Konkurrenz überlassen. Ein solches Thema ist die Natur- und Umweltpolitik. In den siebziger Jahren gab es wichtige umweltpolitische Initiativen der FDP, seither aber ist das Thema Umweltpolitik und insbesondere die Naturpolitik randständig vernachlässigt worden. Deshalb meine These:

Die FDP muss die Naturpolitik als Thema zurückerobern und den Hegemonieanspruch der Bündnisgrünen in der Naturpolitik zurückweisen. Wir können Naturpolitik besser!

Dazu aber braucht es eine genuin liberale Handschrift und einen eigenen liberalen Ansatz in der Naturpolitik. Ich möchte hierzu folgend drei Ansatzmöglichkeiten zur Diskussion vorschlagen. Es handelt sich dabei nicht um konkrete politische Forderungen, sondern um allgemeine Ausrichtungen, die im Zusammenhang mit Grundsatzpositionen in anderen Politikbereichen gesehen werden müssen.

Ansatz 1. Naturpolitik mit den Menschen, nicht gegen die Menschen!

Die bisher praktizierte Naturschutzpolitik – insbesondere auch die der Naturschutzverbände – ist sehr häufig gegen die Menschen und ihre Interessen gerichtet. Menschen werden beim Naturschutz, insbesondere da, wo es um den Schutz bedrohter Arten geht, in der Regel nur als Störfaktor gesehen, der effektivem Naturschutz im Weg steht. Die Folge ist etwa, dass das Betreten ausgedehnter Flächen in Naturschutzgebieten häufig komplett untersagt wird. Ein solches Naturschutzkonzept ist kontraproduktiv, da es Menschen aussperrt und intensives Naturerleben, das erst die Bereitschaft zu Naturschutzbemühungen fördert, völlig ausschließt.

Das liberale Verständnis setzt auf den mündigen, aufgeklärten Menschen und auf seine Bereitschaft, im Einklang mit eigenen Interessen im Verkehr, in der Landwirtschaft und im Freizeitverhalten zum Naturschutz aus eigenem Antrieb beizutragen. Liberale Politik sperrt Menschen nicht aus, sondern bezieht sie mit ein, ermöglicht Begegnung mit der Natur, fördert aktiv Aufklärung und die Bereitschaft zur Mitarbeit. So entsteht das Gefühl, dass man selber am Naturschutz beteiligt wird und er nicht gegen einen und die eigenen legitimen Interessen repressiv durchgesetzt wird.

Ansatz 2. Toleranz und Vielfalt – auch in der Naturpolitik!

An der Herkulesstaude oder dem Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum, Syn.: Heracleum giganteum) scheiden sich bei uns im Siegtal die Geister. Eine regionale Initiative hat sich gegründet, die dem angeblich gefährlichen Neophyten (das sind Pflanzen fremdländischen Ursprungs - also Einwanderer) den Garaus machen sollen: Das "KulturBiotop Siegtal" fordert ein herkulesstaudenfreies Siegtal. Doch auch andere Einwanderer stehen auf der Abschussliste, so im Siegtal der Staudenknöterich (Fallopia japonica , auch Polygonum cuspidatum) und das indische Springkraut (Impatiens glandulifera). Alle drei attraktiven Arten kultivieren wir erfolgreich in den WINDECKER GARTENTRÄUMEN. Auf der Geltinger Birk in Schleswig Holstein wird die Kartoffelrose (Rosa rugosa, hier im Foto) bekämpft: Ein wunderschöner Anblick am Meer, doch auch sie ein vermeintlich „gefährlicher invasiver Neophyt“, weil sie eine andere, hier länger heimische Wildrosenart verdrängt.
Nicht wenige Menschen stellen das Existenzrecht von Neozoen und Neophyten, von eingebürgerten Tieren und Pflanzen, in Frage. Häufig wird dann ökologisch argumentiert: Die Neubürger störten das ökologische Gleichgewicht und verdrängten „einheimische“ Arten, was sie ohne Zweifel mitunter tun. Dahinter steht dann immer eine statische Vorstellung von Lebensgemeinschaften: Die Alteingesessenen haben eine Lebensberechtigung, die Neubürger gelten als Störfall, als Bedrohung. Diese Menschen glauben an eine ewiggültige Vorstellung von „deutschem“ Wald und „deutscher“ Flur. Arten, die zu Goethes Lebzeiten schon hier waren, gehören dazu. Arten, die später gekommen sind, nicht.
Die entgegengesetzte Sicht ist die, Lebensgemeinschaften dynamisch zu betrachten, d.h. wie die Evolution selbst ständig Veränderungen unterworfen. Neuankömmlinge gelten so als Bereicherung, selbst dann, wenn sie alteingesessene Arten verdrängen. Arten haben allein durch ihr Dasein eine Lebensberechtigung erworben.

Als Liberale sollten wir für ein dynamisches Naturverständnis eintreten und Toleranz praktizieren, so wie wir es im gesellschaftlichen Bereich längst ganz selbstverständlich tun. Für gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz einzutreten und gleichzeitig ein starres, statisches Naturverständnis zu propagieren und zum Vernichtungsfeldzug von „invasiven Neozoen und Neophyten“ aufzurufen, passt einfach nicht zusammen! (Dies als kleiner Wink an befreundete FDP-Kommunalpolitiker, für die dieser Spagat kein Problem zu sein scheint...) Als Partei der Vielfalt, der Toleranz und der „Willkommenskultur“ müssen wir ein solches Verständnis auch der Natur gegenüber praktizieren.

Ansatz 3. Mehr Nichtintervention wagen!

Im Vergleich zu unseren politischen Konkurrenten neigen Liberale traditionell deutlich weniger zu Interventionen – etwa des Staates in den Wirtschaftskreislauf. Anarcholibertäre treiben diese Nichtintervention, das Laissez-Faire, bekanntlich auf die Spitze, doch selbst „Sozialliberale“ unterscheiden sich im Hinblick auf die Hemmung zum Eingriff noch deutlich von Sozialdemokraten. Wir greifen nicht ein, weil wir glauben, dass sich spontane Ordnungen besser, innovativer und effektiver regulieren. Wir sollten dieses Prinzip als Liberale auf unseren Umgang mit der Natur übertragen!

Selbst in der Kulturlandschaft ist sehr viel mehr Wildnis möglich. Mehr Flächen ausweisen, die sich selbst überlassen bleiben. Jagd nur noch dort, wo andere, naturnähere Methoden der Bestandsregulierung versagen. Mehr Mut bei der Ansiedlung von bestandsregulierenden Prädatoren wie Wolf und Bär. Vielfalts- und stabilitätsorientierte Aufforstung. Bei Schäden prüfen, ob eine natürliche Selbstregulation und Selbsttherapie der Naturlandschaft nicht möglich und vorzuziehen ist. Und vieles mehr.

Fazit: Drei Ansätze zu einer liberalen Handschrift in der Naturpolitik, die dem Menschen mehr zutraut, nämlich aktiv am Naturschutz mitwirken zu wollen und zu können. Die der Natur mehr zutraut, nämlich ohne menschliche Eingriffe Stabilität organisieren zu können. Die auf Vielfalt und Toleranz setzt, originär freiheitliche Tugenden - in der menschlichen Gesellschaft längst erprobt.

Für Ergänzungen bin ich dankbar!


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