Montag, 20. Juli 2015
Eine knappe Skizze unseres positiven humanistisch-freiheitlichen Ansatzes
Gibt es einen Sinn unserer Existenz?
Unsere Existenz hat a priori keinen Sinn, außer dem, den die Biologie uns wie allen anderen Lebewesen vorgibt: Wir sind Experimentalobjekte unserer Gene – mit unserer einzigartigen Kombination von Erbanlagen sollen wir uns in veränderten Umwelten bewähren. Unsere Bestimmung liegt darin, zu überleben und uns fortzupflanzen. Sind wir nicht erfolgreich, werden unsere Anlagen verschwinden, so wie wir selbst.
Außer dieser natürlichen Zweckbestimmung ist unser Leben völlig sinnlos. Es kann also in unserer Existenz nur den Sinn geben, den wir unserem Leben selbst verleihen: Wir selbst geben unserem Leben einen Sinn.
Was bestimmt unser Verhalten?
Unser Verhalten ist darauf ausgerichtet, zu überleben und uns erfolgreich und möglichst hochwertig fortzupflanzen. Unsere sämtlichen Verhaltensantriebe dienen letztlich diesem einen Ziel. Wir fragen heute nicht mehr, ob ein bestimmtes Verhalten angeboren oder erlernt ist, ob die Gene oder die Umwelt unser Verhalten bestimmen. Unser Tun und Nichttun, unsere Empfindungen und Wahrnehmungen, unser Denken und Wollen sind das Ergebnis eines vielschichtigen Wirk- und Regelmechanismus, der sowohl von unseren Anlagen, wie von unseren Umwelten ständig neu beeinflusst wird. Es sind offene Programme, die von unseren Erlebnissen ständig verändert werden. Wir machen Erfahrungen und wir lernen daraus. Wir sind unserer Existenz nicht hilflos ausgeliefert: Wir selbst haben einen Einfluss auf unsere Erfahrungen – wir wählen unsere Lebenswelten aus, die uns dann erneut prägen. Wir bestimmen, wo wir leben und wie wir leben. In den Grenzen, die das Schicksal uns gewährt, sind wir die Autoren unserer Lebensentwürfe.
Ist unser freier Wille nicht eine Fiktion?
Wir sind nicht völlig frei in unseren Entscheidungen. Unser Wahrnehmungen, unsere Empfindungen und unser Verhalten sind stark beeinflusst von unseren Anlagen und von unseren Lebensumwelten. Aber es gibt keine Automatismen. Wir haben Dispositionen, die uns anfällig und potenziell gefährdet für bestimmte Verhaltensweisen machen, aber sie zwingen uns nicht zu diesem Verhalten. Niemand muss zwangsläufig ein Gewaltverbrecher werden oder drogen- und spielsüchtig, eine Angsterkrankung bekommen oder depressiv werden. Wir können unser Leben sehr wirksam beeinflussen: Wir verfügen über nutzbare Quellen – Kräfte, die wir mobilisieren können, Verteidigungsmechanismen, die wir abrufen können und nicht zuletzt über unseren Verstand, den wir einsetzen können. Wir können denken, bevor wir handeln.
Was bedeutet unser positiver Ansatz?
In der Klinischen Psychologie beschäftigen wir uns mit Erkrankungen, mit Behinderungen und Störungen. Unser DSM, ein Handbuch zur Diagnose und Kategorisierung von psychischen Erkrankungen und Störungen, definiert Schubladen, in die wir Menschen mit ihren einzigartigen Persönlichkeiten und Biografien dann stecken. Wir definieren die Person also nach ihren Störungen, nach ihren Behinderungen, Fehlern, Schwächen und Mängeln.
Die Positive Psychologie hingegen rückt die Einzigartigkeit der Persönlichkeit mit ihren individuellen Stärken, Qualitäten, Kompetenzen und Bewältigungspotenzialen in den Mittelpunkt. Sie fragt etwa, warum manche Menschen besser als andere mit schweren Schicksalsschlägen, Erkrankungen und Verlusten zurechtkommen. Hier spielen Mechanismen des Wahrnehmens und Denkens eine zentrale Rolle, aber auch die psychosomatische Konstitution. Zentrale Begriffe der positiven Perspektive sind Glück, Optimismus und Kreativität. Der positive Therapieansatz versucht, Kraftquellen zu entdecken und zu fördern, Bewältigungsstrategien zu erlernen und unsere Denk- und Wahrnehmungsgewohnheiten zu verändern. Die Erkrankung selbst ist dabei weniger im Fokus als der Umgang mit ihr: Wir nehmen Diagnosen ernst – aber nicht so wichtig!
Welche Rolle spielt dabei unser Menschenbild?
Der Humanismus orientiert sich traditionell am Wahren, Schönen und Guten. Der Liberalismus betont den zentralen Wert der Freiheit für unser Leben. Wir glauben, dass wir in Frieden und Freiheit leben sollten, in menschenwürdigem und verantwortlichem Umgang miteinander, in Respekt vor der Natur und den Lebewesen. In einer friedlichen Welt und einer freiheitlichen Gesellschaft können wir am glücklichsten sein, am schöpferischsten und unser Potenzial am wirkungsvollsten entfalten.
Wir glauben, dass es Lebensweisen und Lebensumwelten gibt, die unserer menschlichen Natur mehr entsprechen als andere, die gedeihlicher und förderlicher für uns sind. Die Ursache der erschreckenden Zunahme von Erschöpfungsdepressionen (Burnout) sehen wir in einer Überforderung durch eine Lebensweise und Lebensumwelt, die unserer menschlichen Natur immer weniger gerecht wird: Es gibt immer mehr Menschen um uns herum, andererseits werden unsere sozialen Kontakte selbst immer oberflächlicher und unpersönlicher – wir vereinsamen in der Masse. Die Arbeitswelt verlangt ein immer schnelleres und perfekteres Funktionieren: Wir geraten unter Druck und fühlen und gehetzt, die Zeit läuft uns davon. Zudem sind wir zunehmend fremdbestimmt – immer mehr wird uns vorgegeben, die Möglichkeiten, frei und eigenverantwortlich zu handeln, werden immer mehr eingeschränkt. Wir leben zudem in vielfältiger Weise ungesund, unserer Nahrung, Lebenswelt und Arbeit entfremdet. Unsere Aufgabe sehen wir darin, diese Entwicklungen zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.
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