Montag, 29. August 2016

Die Kanzlerfrage und die erlernte Hilflosigkeit





Die Frage, ob die Kanzlerin erneut antritt, bewegt die Nation. Viele halten sie für eine interne Entscheidung der Union. Wir werden so oder so damit leben müssen, las ich. Und, es gebe ohnehin keine Alternative.

Die amerikanischen Psychologen Martin Seligman und Steve Maier prägten 1967 den Begriff der "Erlernten Hilflosigkeit". Das Konzept beschreibt die Erwartung eines Individuums, bestimmte Situationen oder Sachverhalte nicht kontrollieren und beeinflussen zu können. Menschen engen ihr Verhaltensrepertoire ein und stellen als unangenehm erlebte Zustände nicht mehr ab, obwohl sie dazu in der Lage wären. Die Erwartung des Kontrollverlusts beeinflusst das weitere Erleben und Verhalten des Menschen und kann sich in motivationalen, kognitiven und emotionalen Defiziten manifestieren. Dieses Verhalten ist typisch für Depressive.

Was wir heute erleben, sind Anzeichen einer ernsthaften kollektiven Befindlichkeitsstörung. Die Mutlosigkeit, Lethargie, Passivität, Antriebslosigkeit und Bereitschaft zur devoten Duldung, die sich in der Kanzlerfrage manifestieren, schreien förmlich nach Veränderung. Es geht hier nicht primär um eine CDU-Personalie. Es geht um die Lebendigkeit unserer Demokratie und um unsere politische Kultur. Eine erneute Kandidatur der alternativlosen Kanzlerin - möglicherweise noch gegen ihren Vizekanzler - wäre in jeder Hinsicht fatal für unser Lebensgefühl und unsere kollektive mentale Befindlichkeit. Wir brauchen den Neustart. Dringend.

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