Alan Posener spricht sich entschieden gegen ein Burkaverbot aus, um, wie er sagt, den Liberalismus zu verteidigen.
Mir geht es weniger um "den Liberalismus", als um die alltagsweltlich
gelebte Freiheitskultur in unserem Land. Hier stellt sich entschieden
die Frage, ob Akzeptanz und Tolerierung von Symbolen einer
religiös-ideologischen Repressions- und Dominanzkultur mit dieser
Freiheitskultur vereinbar sind. Noch spannender allerdings ist die
Frage, inwieweit eine (aus meiner
Sicht
unumgängliche) Ächtung dieser Kleidungsstücke durch Maßnahmen des
Ordnungsstaates auch tatsächlich umgesetzt werden sollte, weil diese
Maßnahmen selbst unausweichlich zu einer Beschädigung alltagsweltlicher
Freiheit führen (man denke etwa an die Bilder vom Strand in Nizza).
Gelebte Freiheitskultur bedarf hier einer sehr sorgfältigen Abwägung von
notwendiger Verurteilung und stillschweigender Toleranz.
Nazisymbole haben wir - aus gutem Grund, wie ich finde - auch verboten,
obwohl auch das die Freiheitskultur (zumindest theoretisch) einschränkt.
Geächtet ist auch hier die Hakenkreuzflagge als Symbol und nicht der
Mensch, der sie in seinem Vorgarten aufzieht. Wichtig scheint mir die
klare Verurteilung solcher Symbole an sich. In wieweit man ihre
Verwendung anschließend tatsächlich sanktioniert, ist eine nachgeordnete
Frage - und eine der politischen Sensibilität.
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Eine klare Verurteilung von Burka und Niqab als Symbole einer
repressiven religiösen Dominanzkultur sind notwendig. Was wir aber
keinesfalls akzeptieren können, ist ein Ordnungsstaat, der Bürger
gängelt. Im Bild französische Polizisten, die an einem südfranzösischen
Strand eine muslimische Frau anweisen, ihre Ganzkörperbadebekleidung
abzulegen. Zünftige Bußgelder sind dort bei Verstoß gegen das
Burkini-Verbot üblich. Statt repressiver Maßnahmen, die einen
empfindlichen Verlus
t an Freiheitskultur
bedeuten, muss die Mehrheitsgesellschaft eine produktive Antwort auf
die muslimische Badebekleidung finden: Eine allgemeine Rückkehr zur
züchtigen Bademode von 1890 wäre eine Katastrophe. Eine völlige
Liberalisierung der Badebekleidungsregeln, die neben Voll-Textil dann
auch Textilfrei erlaubt, wäre hingegen eine produktive Antwort.
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Doch, die Burka passe in eine liberale Demokratie, meint Alan Posener - und bekennt sich damit zu einer uneingeschränkten Toleranzkultur.
Burqa und Niqab sind aber Ausdruck einer repressiven Religionsmoral, sie
zerstören ganz gezielt Individualität und unterdrücken Weiblichkeit und
Körperlichkeit, richten sich also explizit gegen die Menschlichkeit der
Frau als individuelles und körperliches Wesen. Sie in einer
freiheitlichen Gesellschaft zu akzeptieren, bedeutet, die Unfreiheit
selbst zu tolerieren, ein klares verteidigungsbereites Bekenntnis zur
Freiheit zu unterlassen und damit ein schleichendes Unterhöhlen unserer
Freiheitskultur zuzulassen.
Es
geht auch nicht um die individuelle Frau und ihre individuelle
Entscheidung, Ganzkörperverschleierung zu tragen. Vielleicht geht es
nicht mal um die Zwänge und den psychologischen Druck, die diese
individuelle Frau veranlassen dies zu tun. Worum es wirklich
geht, ist die Freiheitskultur in diesem Land und der Widerstand gegen
die Repression religiöser Moral und den Herrschaftsanspruch, den diese
Kleidungsstücke im öffentlichen Raum entfalten. Worum es wirklich geht,
ist unser Bekenntnis zu offener und menschlicher Interaktion und
Kommunikation.