Dienstag, 23. Februar 2016

Die „gefährlichen Bürger“ zu Grabe tragen!

"Kommunikation" von Melanie Kempa, 2006


Ist es tatsächlich so, dass die "Neue Rechte" die bürgerliche Mitte erobern will? Dass das "Hass- und Wutbürgertum" und die Fremdenfeindlichkeit in der bürgerlichen Mitte angekommen sind, wie so häufig behauptet wird? Ist es tatsächlich so, dass „gefährliche Bürger“ und eine „gefährliche Partei“ die bürgerliche Mitte bedrohen? 

Neurechtes Gedankengut usurpiere die Mitte, dringe viral in sie ein und verändere sie, liest man. Rechtes Denken und rechte Wahrnehmung seien längst in der politischen Mitte angekommen. Ist es aber überhaupt so, dass irgendetwas in der bürgerlichen Mitte ankommt? Oder polarisiert sich die bürgerliche Mitte, entstehen Fliehkräfte und tiefe Gräben? Entsteht eine Art schwarzes Loch dort, wo einmal die bürgerliche Mitte war? Meine Wahrnehmung ist eher, dass man in der Fremd- und Selbstwahrnehmung abdriftet - vorzugsweise nach rechts - und die Gefahr besteht, dass man der bürgerlichen Mitte verloren geht. 

Die große Gefahr besteht heute darin, dass sich Meinung verideologisiert und verabsolutiert: Wenn man der rechten Denkungsart eine antirechte entgegensetzt, die auf ebenso dogmatisch-selbstgefällige Art nur sich selbst akzeptiert und toleriert, entstehen Gräben. Wenn man Denkverbote und Diskursverbote implementiert, erlöschen Kommunikation und das Gemeinsame. Wenn man Andersdenkende ausgrenzt, sie zu „Verbrechern“ abstempelt oder ihnen die Menschlichkeit abspricht, wie es der sächsische Ministerpräsident getan hat, beraubt man sich der gemeinsamen menschlichen Basis, die jede Verständigung trägt. Antidemokratisch ist nicht allein das rechte oder völkische Denken. Antidemokratisch ist die inhärente Abschaffung des Pluralismus, die Neigung, dass man die "Wahrheit" exklusiv bei sich selbst verortet und Handlungen im politischen Umfeld legitimiert sieht. 

Es ist dringend an der Zeit, dass wir die gefährlichen Bürger, die Gutmenschen, die Lügenpresse, die Angst-, Hass- und Wutbürger zu Grabe tragen. Was übrig bleibt, sind Menschen mit unterschiedlichen politischen Zielen und Meinungen, über die Verständigung möglich und ein lösungsorientierter Ausgleich erforderlich ist. Was übrig bleibt, sind Menschen mit Ängsten und berechtigten Lebensinteressen, die gehört und ernst genommen werden wollen. Es ist dringend an der Zeit, dass die Politik ihr Handeln wieder an den Interessen und Bedürfnissen dieser Menschen ausrichtet und dass wieder Politik für die Menschen und nicht gegen sie gemacht wird.

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