Es bedrückt mich, wenn ich von sehr geschätzten Fb-Freunden lese, dass
sie sich aufgrund unterschiedlicher Ansichten voneinander "entfreunden".
Eine gewisse Gereiztheit im Umgang macht sich offenbar breit. Eine
zunehmende Intoleranz, einander auch nur zu ertragen, geschweige denn
konstruktiv zu debattieren. Wir sind mit der Unkultur von
Diskursverweigerung und Säuberung auf einem sehr gefährlichen Weg. Die
eigenen Prinzipien hochzuhalten, ist richtig und ehrenwert. Wir müssen
aber einem moralischen Purismus entgegenwirken, der zunehmend ausgrenzt.
Die Forderung "Versöhnen statt Spalten" hatte selten soviel
Berechtigung wie heute, wo tiefe Gräben und Risse entstehen und unsere
Gesellschaft droht, auseinanderzubrechen.
Ich
erlebe einen zunehmenden Rigorismus in den beherrschenden Debatten,
eine zunehmende Intoleranz und Bereitschaft zur Diskursverweigerung, die
z.B. der AfD ausgesprochen nützt, weil sie sie zu ausgegrenzten
Märtyrern macht. Tendenzen der Säuberung erleben wir auch hier bei Fb,
wo munter geblockt und "entfreundet" wird. Doch ja, ich sehe diesen
Purismus und Rigorismus - das ist leider kein Pappkamerad.
Gesinnungsethische
Maxime etwa in der Flüchtlingsfrage werden verabsolutiert, Ängste
tabuisiert. Kürzlich las ich von "irrealen" und "irrationalen" Ängsten.
Diese Ängste sind natürlich immer emotional und eben nicht rational. Sie
sind aber immer auch real, weil sie in
subjektiver Wirklichkeit wurzeln. Ängste nicht ernst zu nehmen oder
Menschen aufgrund dieser Ängste dem rechten Rand zuzuschreiben, grenzt
diese Menschen aber aus und spaltet die Gesellschaft. Die Tabuisierung
betrifft auch politische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Reduzierung
von Flüchtlingszahlen. So wird einem vorgeworfen, man sei "rechts", wenn
man nur den Begriff "Abschreckung" verwendet, was aber nichts anderes
bedeutet als Demotivation und negative Anreizpolitik.
Nachvollziehbarkeit
von Ängsten etwa ist für mich die hohe Kunst des Psychotherapeuten,
aber keine Legitimationsgrundlage für die Angst. Eine
subjektive emotionale Wahrnehmung schafft für mich eine subjektive
Wirklichkeit, d.h. sie ist auch dann real, wenn sie niemand sonst
nachvollziehen kann. Ich denke deshalb auch nicht, dass wir Menschen
unter Legitimationsdruck für ihre Ängste bringen dürfen. Aus Sicht des
Therapeuten sind Ängste häufig unbegründet - ich darf sie aber dennoch
nicht delegitimieren, etwa mit der Begründung, die Person habe sich
nicht ausreichend mit Realität auseinandergesetzt oder sei nicht bemüht
genug, die Angst zu bewältigen. Eine Angst nicht ernstzunehmen, weil die
Person sich gegen "vernünftige Einsichten immunisiert " habe, gründet
auf einer Unterstellung und zudem in subjektiver Arroganz. Ich kann
einem anderen die Angst nicht durch Argumente ausreden - damit erreiche
ich nur Blockade. Ich kann ihm bestenfalls bei der Bewältigung der Angst
helfen.
Angst
ist eine Emotion - also entzieht sie sich jedes rationalen Zugangs. Es
gibt diese argumentative Perspektive bezogen auf die Angst nicht -
folglich kann sie auch nicht mit der therapeutischen verwechselt werden.
Ich habe lediglich dafür plädiert, real existierende Ängste im Rahmen
politischer Betrachtungen ernst zu nehmen.
Nochmal:
Es gibt keine nichtgerechtfertigte Angst. Es gibt lebensbehindernde
Ängste, die Leidensdruck verursachen und deshalb therapiert gehören. Wer
Angst hat, kann damit nicht recht oder unrecht haben. Emotion ist eine
Qualität jenseits von Logik und Werturteil. Worum es uns allen gehen
sollte, ist die Bewältigung von Angst.
(Eigenbeiträge aus einer Facebook-Debatte)
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