Mittwoch, 2. März 2016
Gefährliche Bürger in der Philharmonie?
Die Kölner Philharmonie wurde nach Ansicht von Axel Brüggemann zu einem Ventil der "gefährlichen Bürgerlichkeit jener Biedermeier, die nur einen Anlass zur Brandstifterei suchen". Auch Liane Bednarz spricht erneut auch im Zusammenhang mit den Kölner Protesten von "gefährlichen Bürgern".
Ich halte die Verwendung dieser Wortwahl für unangemessen. Was die peinlichen Vorfälle in Köln betrifft, sehe ich zwei relevante Aspekte: Einmal die Verhaltensdisposition einer im 68er Geist sozialisierten Generation, die sich durch geringe Frustrationstoleranz und unmittelbare Unlustäußerung und einem Fehlen bürgerlicher Tugenden wie Respekt, Achtung und Höflichkeit äußert. Wir haben es vor allem mit Rücksichtslosigkeit und schlechtem Benehmen zu tun. Und die gründen in schlechter oder fehlender Erziehung. Diese heutigen Erwachsenen waren Kinder, denen keine Grenzen gesetzt wurden, die rücksichtslos auf Andere ihre Bedürfnisse ausleben durften. Solche gelernten Verhaltensdispositionen bleiben ein Leben lang prägend. In Köln prägten sie eine Unkultur, die nicht zu entschuldigen ist.
Zum anderen sehe ich aber auch eine Tendenz zunehmender Kritikfähigkeit und Konsumentenmündigkeit, die gegen die arrogante Selbstgefälligkeit eines linken öffentlich subventionierten Kulturbetriebs aufbegehrt. Ich meine etwa Entscheidungsprozesse von Kulturinstituten, die häufig völlig an der Nachfragesituation der Bevölkerung vorbei getroffen werden. Der Intendant der Kölner Philharmonie hat etwa angekündigt, Esfahani wieder einzuladen und Reich in Köln erneut spielen zu lassen - völlig unbeeindruckt von Protesten der Bevölkerung. So etwas lassen sich die Leute heute weniger gefallen als früher - insofern ein emanzipativer Prozess, der durchaus zu begrüßen ist - die unflätigen Ausfälle in der Philharmonie allerdings in keiner Weise entschuldigt.
Die "Gefährlichkeit" äußere sich, so Liane Bednarz, vor allem in der Forderung nach Verwendung der deutschen Sprache bei Einführungs-informationen im Konzertsaal. Macht es Menschen zu "gefährlichen Bürgern", die darauf beharren, dass in diesem Land deutsch gesprochen wird? Auch Guido Westerwelle forderte einst, auf Pressekonferenzen müsse deutsch gesprochen werden. Eine zwar peinliche Einlassung, aber sicher kein gefährlicher Bürger. Forderungen nach Verwendung der Landessprache würde man in Frankreich und vielen anderen Ländern ganz selbstverständlich hören. Im Hinblick auf das Kulturniveau ist die Zurückweisung der englischen Sprache sehr bedenklich. Es macht diese Menschen allerdings "nur" zu schlecht erzogenen Kulturbanausen - aber nicht zu "gefährlichen Bürgern".
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