Montag, 25. April 2016

Die Beta Republik: Prinzip der Evolution – und Entfaltungsraum menschlicher Möglichkeiten.


Zunächst hatte mich als ehemaliger Lehrer und durchaus zum Perfektionismus neigend, der Begriff irritiert: Die Beta Republik. Beta klang irgendwie zweitrangig, nicht nach erster Wahl. Und warum eigentlich ohne Bindestrich? Wenn schon griechisches Alphabet, dann müsse es für Liberale doch die Alpha-Republik sein: Mit höchstem Anspruch und mit Bindestrich, dachte ich.

Zudem war mir die beabsichtigte Assoziation fremd, die Anleihe aus der Computersprache nicht vertraut. Der Begriff sei der Digitalwirtschaft entlehnt und stehe für eine noch in der Testphase befindliche Software, las ich. Ist das eingängig? Von Computersprache und -technik habe ich keine Ahnung – und viele Bürger unseres Landes wohl ebenso wenig. Das Motto schien mir sperrig.

Mittlerweile, nach den Reden von Christian Lindner und Nicola Beer auf dem Berliner Parteitag ist mir klar, wofür Beta Republik stehen soll – und ich bin begeistert: Der Begriff skizziert eine menschenfreundliche Versuchskultur, trial and error als Lebensprinzip, Deutschland müsse ein Labor werden, „Beta“ stehe für Risikobereitschaft und Freiheit. Das neue Motto konkretisiert GERMAN MUT, unsere Initiative gegen Verzagtheit und Ängstlichkeit, und entwickelt es weiter.

Man müsse den Mut haben, etwas auszuprobieren. Wer Angst vor Fehlern habe, zementiere den Stillstand, sagte Generalsekretärin Nicola Beer auf dem Parteitag. Sie forderte ein Ende der Politik, die aus den Ängsten der Menschen Kapital schlage. Bei den Liberalen stehe der Mensch im Mittelpunkt, sein Wohlergehen, das Entwickeln seiner Potentiale. Man wolle die Bürger in diesem Land stark machen. Sie nicht gängeln, sondern von frühester Kindheit an befähigen. Fortschritt sei eine Haltung.

Jedem, der sich intensiv mit der Natur beschäftigt hat, ist das Prinzip bestens vertraut. Evolution ist das Prinzip des ständigen Optimierens, des Weiterentwickelns des Unvollkommenen, des Erprobens der Möglichkeiten. Es gibt nichts Perfektes in der Natur, keine absolut gelungenen Entwürfe, keine Alpha-Modelle. Mit dem Parteitagsmotto kopieren wir das Erfolgsmodell der Natur: Das Prinzip der natürlichen Evolution.

Auch aus psychologischer Sicht vermag das Motto zu begeistern. Die Labor- und Werkstatt-Attitüde überfordert die Menschen nicht. Es werden eben ausdrücklich keine perfekten Lösungen erwartet. Statt dessen wird der freie Raum propagiert, wo in beinah spielerischer Atmosphäre Exploration erprobt und menschliche Entwicklung ermöglicht wird. Das Motto ist eine Liebeserklärung an das Unvollkommene – und an die menschliche Natur: Indem es sich auf die Entwicklung fokussiert, werden menschliche Möglichkeiten sichtbar und die Entfaltung dieser Potentiale angeregt.

Deutschland braucht den Update, das ist gar keine Frage. Wir bleiben weit unter unseren Möglichkeiten. Es gibt viele bürokratische und institutionelle Hemmnisse und Hindernisse für Leistung und Erfolg. Aber es gibt auch sehr wesentliche psychologische Hemmnisse. Erwartungen überfordern uns und lähmen unsere Initiative. Gelernte Hilflosigkeit verhindert oft den Versuch – und damit den Erfolg. Wir brauchen Optimismus und Mut, aber auch die druckfreie entspannte Atmosphäre, die Kreativität erst ermöglicht. Anspruch ist wichtig und notwendig um erfolgreich zu sein. Perfektionismus ist aber oft angstbesetzt und damit lähmend. Verabschieden wir uns also von Alpha-Vorstellungen und Alpha-Erwartungen, die letztendlich Stillstand zementieren. Machen wir uns auf in die Beta Republik.

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