Samstag, 30. April 2016

Glaubwürdigkeit und „Partei der Bewegung“ - Vier Leistungsansprüche für eine erfolgreiche FDP





Ohne Frage hat die FDP auf dem Berliner Bundesparteitag einen guten Eindruck gemacht: Jugendlich kam sie daher, dynamisch und sympathisch. Und demonstrativ geschlossen. Diese Geschlossenheit darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine wesentliche funktionale Zukunftsfrage noch nicht gelöst ist: Die Frage nämlich, in welcher Konstellation und Funktion liberale Inhalte im Bund und in den Ländern in der Zukunft umgesetzt werden sollen. In Berlin gab es sehr viel Beifall und Lob für die Mainzer Koalitionsverhandlungen für eine Ampelkoalition. Die erheblichen Zweifel an der Richtigkeit und Sinnhaftigkeit der Entscheidung, Koalitionsverhandlungen mit Roten und Grünen aufzunehmen, wurden im allgemeinen Harmoniebestreben hinweg geklatscht, völlig ungeachtet der Tatsache, dass dies eine massive Dehnung des Wählerwillens bedeutet hat – um es mal höflich auszudrücken. Dass gleichermaßen die Mainzer Entscheidung für eine Koalition wie die Stuttgarter Entscheidung dagegen beklatscht und quasi ein „anything goes“ abgefeiert wurde, zeigt aber auch die spürbare Verunsicherung über die zukünftige Rolle und Aufgabe der Partei gerade in funktioneller Hinsicht.

Um längerfristig erfolgreich zu sein, muss die FDP aus meiner Sicht in vier Disziplinen überzeugen:

Erstens, sie muss den Wählern inhaltliche Argumente liefern, um gewählt zu werden. Sie muss als einzige liberale Partei in Deutschland die Stimme der Freiheit in sämtlichen Politikbereichen hörbar machen und konsequent für liberale Lösungen eintreten. Daneben muss sie als Partei des Bürgertums bürgerliche Werte und Tugenden konsequent verteidigen. Insgesamt sind wir hier auf einem sehr guten Weg.

Zweitens, sie muss den Wählern emotionale Wahlargumente liefern. Sie muss freiheitliches Lebensgefühl vermitteln, auf vorhandene Ängste eine Antwort haben und der weit verbreiteten Lethargie und Antriebslosigkeit etwas entgegensetzen. Mit der Kampagne „GERMAN MUT“ und ihrer Fortsetzung in der „Beta Republik“ sind wir auch hier auf einem guten und neuartigen Weg: Es geht darum, Emotion und Lebensgefühl als Kategorien der politischen Kommunikation mit den Menschen zu entdecken und für die Wählermotivation fruchtbar zu machen.

Drittens, sie muss den Menschen ein funktionales Argument liefern, um gewählt zu werden. Eine Perspektive läge darin, sich wie in Rheinland-Pfalz als weitere linksmittige Funktionspartei anzubieten, also als gelben Faktor in einer Ampel mit Rot und Grün, Schwarz und Grün, oder der „Deutschlandkoalition“ mit Schwarz und Rot. Gegen dieses Modell spricht aus meiner Sicht, dass für eine weitere Funktionspartei links von der Mitte neben den „sozialdemokratischen“ Parteien CDU, SPD und Grünen kaum Bedarf besteht und der Konkurrenzdruck extrem hoch ist. Aus meiner Sicht ist die längerfristige (Überlebens)prognose für die FDP in diesen Konstellationen nicht günstig.
Die Alternative besteht darin, zunächst auf Regierungsbeteiligungen zu verzichten und sich konsequent als Programmpartei und „Partei der Bewegung“ als Opposition zum „Merkel-Block“ der sozialdemokratischen Parteien zu präsentieren. Hier wäre die FDP eine bürgerliche, aus der Mitte des politischen Spektrums kommende Alternative zur „Alternative für Deutschland“ und eine echte Alternative für die Menschen und damit ein stabilisierender Faktor für unsere Demokratie. Die „Große Koalition“ hat zu einer bedrohlichen Entfremdung eines beträchtlichen Teils der Wählerschaft von unserem politisch-repräsentativen System geführt. Es wäre überlebenswichtig für unser repräsentatives System, dass sich eine bürgerliche Partei aus der Mitte des politischen Spektrums an die Spitze der Bewegung der Entfremdeten und Abgewandten setzt und diese Menschen nicht dem Rechtspopulismus überlässt.
Zwischen den sozialdemokratischen Parteien links von der Mitte und der immer weiter nach rechts abdriftenden AfD liegt ein weites Feld, das weitgehend konkurrenzlos bearbeitet werden kann. Für die FDP kann es im Moment nicht um staatspolitische Verantwortung gehen – es geht zunächst um eigene Stabilisierung und Konsolidierung und die Rückkehr in den Deutschen Bundestag. Dies lässt sich aus meiner Sicht in der Opposition besser erreichen, weil wir widerspruchsfreier agieren können und keine Kompromisse eingehen müssen. Die Aussicht auf eine weitere Merkel-geführte Koalition sollte uns darüber hinaus in jeder Hinsicht abschrecken.
In Bezug auf die funktionelle Ausrichtung ist die zukünftige Rolle der FDP noch nicht klar. Hier müssen wir zu einer Entscheidung kommen.

Viertens muss sich die FDP ein solides und widerspruchsfreies Image erarbeiten. Aus meiner Sicht sind Solidität und Glaubwürdigkeit oberstes Gebot. Wir müssen in bester bürgerlicher Tradition ehrlich und redlich daherkommen. Dazu gehört, dass man nach der Wahl das einhält, was man vor der Wahl versprochen hat. Deshalb ist die Mainzer Entscheidung, gegen den Wählerwillen und gegen die eigenen Wahlkampfaussagen Koalitionsverhandlungen mit Rotgrün aufzunehmen, aus meiner Sicht ein schwerer Fehler gewesen. Wir sind 2013 nicht zuletzt deshalb aus dem Bundestag geflogen, weil wir Wahlkampfversprechen nicht einlösen konnten. Wir hatten – und haben – ein Glaubwürdigkeitsproblem - wie das gesamte politisch-repräsentative System insgesamt. Auch hier hätten wir als bemüht glaubwürdige Partei ein Alleinstellungsmerkmal. Zudem sind aber absolute Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Redlichkeit für eine gegenwärtig noch außerparlamentarische Partei mit noch nicht soliden Umfragewerten überlebensrelevant.

Montag, 25. April 2016

Die Beta Republik: Prinzip der Evolution – und Entfaltungsraum menschlicher Möglichkeiten.


Zunächst hatte mich als ehemaliger Lehrer und durchaus zum Perfektionismus neigend, der Begriff irritiert: Die Beta Republik. Beta klang irgendwie zweitrangig, nicht nach erster Wahl. Und warum eigentlich ohne Bindestrich? Wenn schon griechisches Alphabet, dann müsse es für Liberale doch die Alpha-Republik sein: Mit höchstem Anspruch und mit Bindestrich, dachte ich.

Zudem war mir die beabsichtigte Assoziation fremd, die Anleihe aus der Computersprache nicht vertraut. Der Begriff sei der Digitalwirtschaft entlehnt und stehe für eine noch in der Testphase befindliche Software, las ich. Ist das eingängig? Von Computersprache und -technik habe ich keine Ahnung – und viele Bürger unseres Landes wohl ebenso wenig. Das Motto schien mir sperrig.

Mittlerweile, nach den Reden von Christian Lindner und Nicola Beer auf dem Berliner Parteitag ist mir klar, wofür Beta Republik stehen soll – und ich bin begeistert: Der Begriff skizziert eine menschenfreundliche Versuchskultur, trial and error als Lebensprinzip, Deutschland müsse ein Labor werden, „Beta“ stehe für Risikobereitschaft und Freiheit. Das neue Motto konkretisiert GERMAN MUT, unsere Initiative gegen Verzagtheit und Ängstlichkeit, und entwickelt es weiter.

Man müsse den Mut haben, etwas auszuprobieren. Wer Angst vor Fehlern habe, zementiere den Stillstand, sagte Generalsekretärin Nicola Beer auf dem Parteitag. Sie forderte ein Ende der Politik, die aus den Ängsten der Menschen Kapital schlage. Bei den Liberalen stehe der Mensch im Mittelpunkt, sein Wohlergehen, das Entwickeln seiner Potentiale. Man wolle die Bürger in diesem Land stark machen. Sie nicht gängeln, sondern von frühester Kindheit an befähigen. Fortschritt sei eine Haltung.

Jedem, der sich intensiv mit der Natur beschäftigt hat, ist das Prinzip bestens vertraut. Evolution ist das Prinzip des ständigen Optimierens, des Weiterentwickelns des Unvollkommenen, des Erprobens der Möglichkeiten. Es gibt nichts Perfektes in der Natur, keine absolut gelungenen Entwürfe, keine Alpha-Modelle. Mit dem Parteitagsmotto kopieren wir das Erfolgsmodell der Natur: Das Prinzip der natürlichen Evolution.

Auch aus psychologischer Sicht vermag das Motto zu begeistern. Die Labor- und Werkstatt-Attitüde überfordert die Menschen nicht. Es werden eben ausdrücklich keine perfekten Lösungen erwartet. Statt dessen wird der freie Raum propagiert, wo in beinah spielerischer Atmosphäre Exploration erprobt und menschliche Entwicklung ermöglicht wird. Das Motto ist eine Liebeserklärung an das Unvollkommene – und an die menschliche Natur: Indem es sich auf die Entwicklung fokussiert, werden menschliche Möglichkeiten sichtbar und die Entfaltung dieser Potentiale angeregt.

Deutschland braucht den Update, das ist gar keine Frage. Wir bleiben weit unter unseren Möglichkeiten. Es gibt viele bürokratische und institutionelle Hemmnisse und Hindernisse für Leistung und Erfolg. Aber es gibt auch sehr wesentliche psychologische Hemmnisse. Erwartungen überfordern uns und lähmen unsere Initiative. Gelernte Hilflosigkeit verhindert oft den Versuch – und damit den Erfolg. Wir brauchen Optimismus und Mut, aber auch die druckfreie entspannte Atmosphäre, die Kreativität erst ermöglicht. Anspruch ist wichtig und notwendig um erfolgreich zu sein. Perfektionismus ist aber oft angstbesetzt und damit lähmend. Verabschieden wir uns also von Alpha-Vorstellungen und Alpha-Erwartungen, die letztendlich Stillstand zementieren. Machen wir uns auf in die Beta Republik.

Sonntag, 3. April 2016

Zur Trauerfeier für Guido Westerwelle



Schöne und bewegende Worte hat sie gefunden, die Kanzlerin auf der Trauerfeier von Guido Westerwelle. Keine Frage, das kann sie, die Pfarrerstochter. Ich will die Rede auch keinesfalls kritisieren, die viele, viele Liberale zumal, ausdrücklich gewürdigt haben.
Und doch – mir persönlich hat etwas gefehlt: Etwas Demut, ein Wort des Bedauerns der gemeinsamen Geschichte und des eigenen Handelns. Ein Ausdruck eines schlechten Gewissens vielleicht, ein wenn auch nur rudimentäres Eingeständnis, nicht immer fair gewesen zu sein gegenüber dem Verstorbenen. Ich selbst habe mehrfach so empfunden während der Krankheit Westerwelles und nun nach seinem Tod: Nicht immer fair gewesen zu sein ihm gegenüber, zu scharf und mitunter unangemessen heftig in meiner Kritik. Was mich betrifft – ich bedaure das heute.

Eine Krebserkrankung kommt selten einfach so. Häufig ist der Ausbruch einer solchen Krankheit das Ergebnis eines komplexen Wechselspiels von genetischer Disposition und auslösenden Faktoren in der Lebensgeschichte. Der Ausbruch geht gewöhnlich auf eine Schwächung des Immunsystems zurück, wie es während starker Belastungen oder während anderer Erkrankungen der Fall ist. Am negativsten wirken sich schwere Lebenskrisen auf das Immunsystem aus. Sie können das Immunsystem zeitweise lahmlegen, so dass es seiner Funktion, Krebszellen zu erkennen und zu beseitigen, nicht ausreichend nachkommen kann.

Die schwere Lebenskrise im Leben Guido Westerwelles hat nicht unwesentlich mit Angela Merkel zu tun. Westerwelle hatte das Scheitern der Koalition, das Scheitern seiner politischen Karriere als Parteivorsitzender und Vizekanzler und schließlich das bundespolitische Scheitern seiner Partei an der 5%-Hürde und das erstmalige Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag zu verarbeiten. Wie schwer diese Lebenskrise tatsächlich war, wie tief ihn all das getroffen hat, können wir nur erahnen. Natürlich gibt es viele Gründe für das Scheitern, auch viele selbstgemachte Fehler. Und doch ist eines sicher: Ohne Angela Merkel, ihre Partei und ihre Führung in der christlich-liberalen Koalition hätte es dieses Scheitern Westerwelles und seiner Partei so nicht gegeben. Ohne Angela Merkel hätte es auch die tiefe Lebenskrise Guido Westerwelles so nicht gegeben. Die Frage ist müßig und ich werde sie nicht stellen: Die Frage nämlich, ob es ohne diese Koalition und diese Kanzlerin die schwere Erkrankung Westerwelles und seinen frühen Tod gegeben hätte. Wir können es nicht wissen.

Die Kanzlerin hat von alledem nichts anklingen lassen. Wahrscheinlich war es von Beginn an naiv, einen Ausdruck persönlichen Bedauerns, der über die bloße Schicksalshaftigkeit dieses Todes hinaus geht und sich selbst in Frage stellt, gerade von ihr zu erwarten. Ich hätte es formuliert an ihrer Stelle. Aber was heißt das schon...

Freitag, 1. April 2016

Keine Mainzer Ampel!





Warum riskiert die rheinland-pfälzische FDP für ein mehr als fragwürdiges Projekt erneut ihre Glaubwürdigkeit und die parlamentarische Zukunft im Bund? Die Zusammenarbeit von FDP und Grünen war bisher alles andere als erfolgreich: In Brandenburg scheiterte eine Ampelkoalition 1994, in Bremen 1995. In Berlin scheiterten 2001 bereits die Koalitionsverhandlungen. Im Saarland scheiterte 2012 die Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen, ebenfalls vorzeitig. Für die FDP bedeutete das Platzen der Koalitionen gewöhnlich das parlamentarische Aus bei den folgenden Landtagswahlen. Auch strategisch betrachtet, wäre mit einem "Mainzer Modell" (wenn es mehr werden würde als eine Totgeburt) kein Blumentopf zu gewinnen: Die Ampel zieht die FDP im Parteienspektrum unausweichlich ins heftig umkämpfte Feld links von der Mitte. Ob sie dort neben CDU, SPD und Grünen längerfristig überleben kann, ist mehr als fraglich. Ihre günstige Wachstumsoption im Feld der rechten Mitte, wo außer CSU und AfD keine Konkurrenz besteht, gibt sie damit auf. Ebenso die Möglichkeit, sich als glaubwürdige und gemäßigte oppositionelle Alternative zum Merkelblock dauerhaft zu etablieren.

Glaubt irgendjemand im Ernst, die Bürger hätten die FDP in den Mainzer Landtag gewählt, um jetzt als Stützrädchen für die abgewählte rotgrüne Landesregierung zu agieren? Wird hier erneut Wählervertrauen und Glaubwürdigkeit zur Disposition gestellt? Die rheinland-pfälzischen Freunde riskieren den Wahlerfolg bei der Bundestagswahl, wenn sie jetzt erneut umfallen. Aufwachen, Volker Wissing, und klar positionieren. In dieser Lage gibt es für die FDP nur die Opposition!