Freitag, 21. Dezember 2018
Mut zur subjektiven Wahrheit
Relotius: Lügner und Betrüger oder werteorientierter Autor emotional authentischer Texte? Viele von uns sind empört über das Plädoyer Georg Restles, indem er uns Neutralitätswahn vorwirft und einen werteorientierten Journalismus fordert. Doch wir sollten herunterkochen, denn Restle hat in Teilen Recht: Haltungs- und werteorientierter Journalismus ist nicht das Problem. Wir brauchen Journalisten, die innengeleitet sind, die werteorientiert schreiben und Haltung zeigen. Das Problem ist Politische Korrektheit, das Vorherrschen einer Haltungsvorschrift, eine linksgrüne Hegemonie, die Haltung und Werte verordnet und Meinung vorschreibt.
Journalisten müssen autonom sein und sie müssen authentisch sein. Sie dürfen ebensowenig neutral sein, wie sich ein Politiklehrer an das Neutralitätsgebot des Beutelsbacher Konsenses halten kann und darf. Wir brauchen keine Wahrheits- und Faktenfetischisten. Wir brauchen Mut zur unabhängigen Meinung. Journalismus ist immer subjektiv, Schreiben ist immer Wahrnehmung und Erleben, Dichtung und Wahrheit. Was ein Autor schreibt, kann niemals objektiv wahr sein. Guter Journalismus ist subjektiv wahr, ist autonom und authentisch, sensibel, empathisch und ehrlich.
Hat Relotius nun gelogen oder gar betrogen? Wo der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei der Darstellung um Fakten handelt, müssen die auch stimmig sein. Das ist eine Frage der journalistischen Redlichkeit. Nicht immer klar zu beantworten ist allerdings die Frage, was denn nun Fakten sind. Relotius wird vorgeworfen, Personen oder Begegnungen mit Personen erfunden zu haben. Sind das dann Fakten oder doch eher Kunstfiguren oder psychische Entitäten? Im Einzelfall wäre ganz genau zu prüfen, ob Lesern Falsches mit betrügerischer Absicht vermittelt wurde - oder schlicht eine Erzählung mit fiktiven Elementen und eigener Legitimität subjektiver Wahrheit.
Sonntag, 2. Dezember 2018
Flönz: Schweineblut und Kulturkampf
Ich war nie wirklich ein Fan von Kölschem Kaviar. Kölscher Kaviar ist Flönz mit Öllich, Mostard und Röggelche (Für Nicht-Rheinländer: Blutwurst mit Zwiebeln, Senf und Roggenbrötchen). Als Kind hatte ich mal gesehen, wie Flönz zubereitet wird. Das sind so Schicksalsmomente, die über lebenslange Leidenschaft oder lebenslange Abneigung entscheiden. Bei mir war es die Abneigung. Im Moment aber entdecke ich mein Herz für die verschmähte deutsche Blutwurst. Flönz ist zum Symbol des deutschen Kulturkampfes geworden. Es geht dabei nicht um Blut und Schweinefleisch in der Wurst. Es geht um Souveränität und behauptete Identität. Fehlende Sensibilität wird den Veranstaltern der Islamkonferenz vorgeworfen. Das Gegenteil ist aber richtig: Wir leben in einer Kultur der Hypersensibilität, die nur Folge einer starken kollektiven Verunsicherung sein kann. Es gibt starkes Schuldbewusstsein, das uns zu einer Überservilität, einem ständig vorauseilenden Gehorsam verleitet, zu einer Überanpassung: Wir wollen es immer allen Recht machen. Aber wir vergessen dabei uns selbst, geben uns viel zu oft selbst auf. Wir haben eine wundervolle Kulturtradition, auf die wir selbstbewusst stolz sein sollten. Die wir engagiert verteidigen sollten, gegen jeden, immerzu. Dazu gehört Blutwurst. Flönz. Kölscher Kaviar. Ob man ihn mag oder nicht.
(Foto: Wikipedia)
Freitag, 30. November 2018
Parfum
Völlig zu Unrecht werden die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten immer pauschal verurteilt. Mit der sechsteiligen Serie "Parfum" nach Motiven des Bestsellers von Patrick Süskind ist dem ZDF ein wahres Meisterwerk gelungen: Ein Crime-Spektakel mit grandiosem Tiefgang und solidem psychologischen Hintergrund. Der Sechsteiler bietet genug Stoff für ein Semester Psychopathologie. Die Figuren sind meisterhaft ausgearbeitete Chimären aus Tätersein und Opfersein, kaum eine Facette psychischer Verletzung und Deformation bleibt ausgespart. In seiner Zusammenraffung ein übles Portrait unseres Menschseins, aber in jedem Detail ein realistisches. Ein Parforceritt durch menschliche Abgründe wie in der Geisterbahn, liebevoll entsetzlich und berührend grauenvoll.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/parfum-serie-zdf-neo-100.html?fbclid=IwAR2VWU7CAAlGOVZr3cNYm0Cop7P9Xjwpo6MxmfHEovSzSyYs2YuS5EF5ogQ
https://www.zdf.de/serien/parfum/darum-gehts-114.html
Samstag, 20. Januar 2018
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