Wir
können diese Scheindebatte als Teil dessen ansehen, was DSM-Syndrom
genannt wird. Das DSM ist das "Diagnostic and Statistical Manual of
Mental Disorders" (Diagnostischer und statistischer Leitfaden
psychischer Störungen) und ist eines der beiden dominierenden
psychiatrischen Klassifikationssysteme. Die Anzahl der im DSM
aufgeführten Krankheiten und Störungen ist stetig von 106 (DSM-I) auf
heute 374 (DSM-5) angestiegen. Die aktuelle Version DSM 5 beschreibt als
Neuerungen so richtungsweisende Diagnosen wie "Hypersexuelle Störung,
Prämenstruelle Dysphorische Störung oder Disruptive
Stimmungsdysregulationsstörung". Hier wird Verhalten systematisch
pathologisiert und problematisiert, der Bereich des "Normalen" immer
weiter ausgedünnt und Rarität zur Devianz erklärt. Wo einst
Verhaltensvielfalt war, wird Normabweichung diagnostiziert. Das Normale
ist aber ebenso wie das Korrekte ("political correctness") ein
menschengemachtes Konstrukt. Machen wir diese Konstrukte zur Zielvorgabe
von Verhalten, reduzieren wir Vielfalt, beschneiden wir Freiheit und
befördern totalitäre Tendenzen.
Das
Problem ist nicht das DSM. Auch nicht, wieviel das Buch kostet. Das
Problem ist die zunehmende Tendenz, Verhalten zu pathologisieren, zu
problematisieren, als inkorrekt zu stigmatisieren und einer Normierung
und Verhaltenskontrolle zu unterwerfen. Das erleben wir im DSM genauso
wie in diesem Thread.
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