Liberale tun sich
eher schwer mit dem Konzept der „Heimat“. Zum einen ist der
Begriff historisch belastet, konnotiert mit der
Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten. Damals wurde der
Begriff stark regional verstanden und war verquickt mit
rassistischem, ausgrenzendem und in Bezug auf die deutschen
Ostgebiete häufig revanchistischem Gedankengut.
Zum anderen
widerspricht das Heimatkonzept fundamental dem Typus des modernen
krawattentragenden, magentafarbenen Freidemokraten, der sich gerne als Kosmopolit sieht: Maximal
anpassungsfähig, mobil, flexibel, leistungs- und marktorientiert.
Das Bodenständige, Gewachsene, Ursprüngliche und Identitäre, für
das „Heimat“ steht, stört da nur. Bindung wird da leicht zur
Anbindung, die an das Enge und Begrenzte fesselt.
Ist „Heimat“
also ein unliberales Konzept? Eines das wir lieber den Konservativen
und Rechtspopulisten überlassen sollten?
Unbestritten erlebt
der Heimatbegriff seit Jahren eine Renaissance – und das längst
nicht nur in den konservativen und rechtspopulistischen Segmenten der
Gesellschaft. Heimatgefühle feiern Hochkonjunktur und werden zum
Sehnsuchtsort der Menschen. Ohne Zweifel müssen wir die Heimatwelle
als Gegenbewegung zur globalisierten Welt verstehen, die den Menschen
im Hinblick auf Mobilität, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit immer mehr abverlangt und zunehmend viele Menschen überfordert.
Es wäre ein großer Fehler, als Liberale dies nicht zur Kenntnis
nehmen zu wollen und leichtsinnig darüber hinweg zu gehen:
Globalisierung bedeutet Bindungsverlust, Verlust an Sicherheit und
Wohlbehagen. Masseneinwanderung bedeutet Bedrohung des Identitären
und Gewachsenen. Gefühle von Entfremdung und das als bedrohlich
wahrgenommene Fremde in der Lebenswelt generieren Ängste, die das
Leben der Menschen zunehmend prägen.
Aus psychologischer
Sicht bedeutet „Heimat“ vor allem Identität und Bindung. Heimat ist sehr viel weniger ein Ort, als ein Lebensgefühl: Das
Heimatkonzept schafft Sicherheit und Wohlbehagen, Überschaubarkeit
und das so wesentliche Gefühl der Kontrollkompetenz, das Vermögen
von Menschen, ihre Lebenswelt und ihren Alltag beeinflussen, verändern und gestalten
zu können. Dabei sind Menschen extrem unterschiedlich: Ihre
Bewältigungsstrategien sind ganz verschieden und ihre
Heimatbedürfnisse sind ganz verschieden. Der eine fühlt sich im Gewusel der Megacity wohl, der andere in der beschaulichen Kleinstadt schon überfordert. Was uns aber alle eint,
ist, dass wir nach Bindung streben und nach Identität.
Wir dürfen als
Liberale, die wir vielleicht aufgrund von Persönlichkeitsmerkmalen
weltoffener sind, Entfremdungstendenzen weniger schmerzhaft
wahrnehmen, flexibler und mobiler sind als Andere, nicht
die überfordern, die es nicht sind. Unsere Politik muss sich auch
und bevorzugt an denen orientieren, die stärkere
Sicherheitsbedürfnisse haben, die Fremdheit stärker bedroht, die
fundamentale Veränderung und rascher Wandel stärker ängstigt.
Meine These ist,
dass wir als Liberale das Heimatkonzept und - damit verbunden – die
Heimatbedürfnisse der Menschen nicht leichtfertig ignorieren dürfen.
Wenn wir die Menschen ernstnehmen wollen, müssen wir auch ihre
Heimatbedürfnisse ernstnehmen. Wir brauchen ein eigenes
freiheitliches Heimatkonzept, das mehr verkörpert als Dirndlkleid,
Volksmusik und rustikale Dorfgasthöfe mit Hirschgeweihen über dem
Stammtisch. Ein freiheitliches Heimatkonzept muss mehr sein als
Kitsch, muss weltoffen Begrenztheit und Enge überwinden, muss Lebensräume
gestalten, die Bindung und Identität zulassen und ein Lebensgefühl
kultivieren, das menschlichen Bedürfnislagen entspricht.
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Kann
man Angst vor dem Begriff "Heimat" haben, wird gerade gefragt. Es gibt
Heimatkonzepte und -begriffe, die in der Tat beängstigen können. Wir
dürfen deshalb den Heimatbegriff nicht den Rechtspopulisten überlassen,
sondern brauchen einen eigenen freiheitlichen Heimatbegriff, der auf
Vielfalt und Weltoffenheit aufbaut und menschlichen (psychischen)
Bedürfnislagen entspricht. Es geht darum, Heimaten zu schaffen und
Lebenswelten zu fördern, die Identität, Bindung, Kontrolle und
Angstfreiheit ermöglichen und damit Garanten für psychische Gesundheit
sind.
An dem Konzept oben sind zwei Aspekte durchaus ungewöhnlich und durchaus nicht gängige Definition: Einmal, dass ich von Heimat "schaffen" spreche. Und zum anderen, dass ich "Heimat" im Plural verwende. Heimat so verstanden ist nicht singulär, es gibt nicht "die Heimat", die man nur entweder für sich akzeptieren kann oder nicht, auf die man exklusive Anspruchsrechte erhebt und damit Andere ausschließt. Heimat so verstanden, muss ich mir selber schaffen, muss ich wählen, muss ich aktiv gestalten. Heimat so verstanden, ist völlig individuell auf mich bezogen und auf meine spezifischen Bedürfnisse. Jeder Mensch hat folglich eine andere eigene Heimat, die sie oder er für ein gutes, gesundes Leben braucht. Ein solcher Heimatbegriff ist dann auch nicht autoritär, wie Wolf Dermann meint.
Bild: Rinderhaltung bei Behrensdorf (Kreis Plön). Solche Landschaften zum Wohlfühlen können im besten Sinne Heimat sein.
An dem Konzept oben sind zwei Aspekte durchaus ungewöhnlich und durchaus nicht gängige Definition: Einmal, dass ich von Heimat "schaffen" spreche. Und zum anderen, dass ich "Heimat" im Plural verwende. Heimat so verstanden ist nicht singulär, es gibt nicht "die Heimat", die man nur entweder für sich akzeptieren kann oder nicht, auf die man exklusive Anspruchsrechte erhebt und damit Andere ausschließt. Heimat so verstanden, muss ich mir selber schaffen, muss ich wählen, muss ich aktiv gestalten. Heimat so verstanden, ist völlig individuell auf mich bezogen und auf meine spezifischen Bedürfnisse. Jeder Mensch hat folglich eine andere eigene Heimat, die sie oder er für ein gutes, gesundes Leben braucht. Ein solcher Heimatbegriff ist dann auch nicht autoritär, wie Wolf Dermann meint.
Bild: Rinderhaltung bei Behrensdorf (Kreis Plön). Solche Landschaften zum Wohlfühlen können im besten Sinne Heimat sein.