Sonntag, 27. November 2016

Abschied vom Comandante





Die morbid-sentimentale Welle verklärter Revolutionsromantik, die anlässlich des Ablebens des Comandante gegenwärtig durchs Netz schwappt, ist ein weit besseres Beispiel für Postfaktizität als es die Trump-Kampagne jemals war. Mit dem realen Diktator hat sie aber so wenig zu tun wie lila Kühe mit der Milchproduktion. Nur deshalb können der blutige Guerillakampf, die standrechtlichen Erschießungen und Massenexekutionen, die vielen Hinrichtungen und langen Gefängnisstrafen, Folterungen, Enteignungen und Schikanen bei der rückblickenden Betrachtung und Bewertung dieser Figur so vollkommen ausgeblendet werden. Wovon wir (oder beträchtliche Teile davon) wehmütig Abschied nehmen, ist eine Projektionsfigur der eigenen revolutionären Gefühlswelt unserer Jugendtage. Denn Revolutionäre waren wir doch alle, im Guerillakampf gegen die erstickende Fürsorglichkeit unserer Mütter und die alles beherrschende Dominanz übermächtiger Vaterfiguren. Die Helden der kubanischen Revolution waren Identifikationsfiguren des ganz persönlichen Freiheitskampfes unserer jugendlich-unterdrückten Identität. Im Angesicht Fidels und Che Guevaras wurden unter starkem Einfluss bis dahin unbekannter Rauchwaren und karibischer Musik Emotionswelten erobert und grenzenlose Körperlichkeit zelebriert. Wir fühlten uns stark und lebendig und frei. Damals. Lange ist das her. Ein großes Stück dieses längst vergessenen Gefühls ist erneut dahin, wird uns sehr unangenehm bewusst, mit dem schmerzlichen Verlust der selbsterschaffenen Ikone des unerschütterlichen Comandante.






Eine meiner FB-Freundinnen (die ich sehr schätze) bedankt sich heute anlässlich des Ablebens des kubanischen Diktators mit "Gracias por todo!" (Danke für alles). Auf ihrer Seite liest man dann folgende Beiträge: "Ich hatte noch das Glück, ihn (Fidel) bei einer öffentlichen Rede in Habana, vor 14 Jahren aus 3 m Distanz, zu hören. Ich hatte damals auch Tränen in den Augen, so ergriffen war ich von seiner Persönlichkeit." Später wird eingeräumt: "... jedoch nicht immer von seiner Politik". Kritischere Beiträge auf der Seite verweisen immerhin auf Menschenschlangen vor kubanischen Geschäften oder zeigen Bilder von etwas heruntergekommenen Häuserfassaden in Havanna.
Niemand schreibt vom blutigen Guerillakampf, von standrechtlichen Erschießungen, Massenexekutionen, den vielen Hinrichtungen und langen Gefängnisstrafen, Folter, Enteignungen, Schikanen. Castros Tod ist kein Anlass für sentimentale Revolutionsromantik. Mit ihm sollten endlich auch die Überreste seines Regimes der Vergangenheit angehören.

Adios, Comandante. Gracias por nada.