Mittwoch, 8. Juni 2016

Die Mannschaft



Sehr minimalistisch kommt der neue Markenmame des unser Land repräsentierenden Teams dieser Tage daher. Die "Deutsche Nationalmannschaft" von einst wurde schlicht zur "Mannschaft". Der Begriff scheint alle lästigen Diskussionen der letzten Tage im Keim ersticken zu wollen: Fragen nach nichtdeutscher Herkunft und ethnischem Aussehen von Spielern, nach dem Nichtmitsingen der Nationalhymne, nach demonstrativ öffentlich gemachten Mekka-Pilgerfahrten oder Posierfotos mit ausländischen Despoten. Wer den Anspruch des "Deutschen" und des "Nationalen" gar nicht mehr erhebt, kann - und darf - all das nicht mehr problematisieren und in Frage stellen. "Die Mannschaft" steht somit für die multikulturelle Gesellschaft des nachdeutschen, nachnationalen Zeitalters und die damit verbundene neue postmoderne Beliebigkeit. Die nationalen Symbole sind kleingehalten: Der Bundesadler des nationalen Fußballverbandes erscheint in dezemtem Grau, Schwarzrotgold ist nicht mehr als die Vereinsfarbe des Teams, was den neuerdings unkompliziert-leichtfertigen Umgang mit Fahnen und Wimpeln erklärt: Das einst Nationale ist heutzutage nicht mehr als reine Vereinsfolklore. Die Frage wird sein, ob der zeitgemäße Minimalismus in der Lage sein wird, bei allem Trennenden, bei allen Gräben, die sich zwischen uns in unserer zerrissenen Gesellschaft auftun, genügend gemeinsame und verbindende Identifikationsmomente stiften zu können. Die Mannschaft einer Gesellschaft, die sich mehr oder weniger zufällig innerhalb historischer Grenzen zusammengefunden hat. Ob das den Menschen reicht?